Tag 1
Aber diese neue Industrialisierung? Was ist denn bloß aus Wilhelmsburg und der Veddel geworden? Die traditionellen Orte an denen sich seit Jahrzehnten Container, Autos für den Versand nach Afrika und Altmetall stapelten, sehen heute vom Fahrrad aus gesehen so aus... armes Hamburg.
ah... KENN ICH VON DER aUTOBAHN...
Kein passionierter Bahnfahrer käme auf die Idee, dass Fulda eine Stadt ist, es ist eine Plattform um den Zug zu wechseln. Eingefleischten Autofahrern geht es genauso. Horst? ein Dreick. Seevetal? Eine Abfahrt - gleich zuhause. Wenn es ein Seevetal wirklich gibt, gibt es dann auch eine Seeve? Einen Seevekanal? Für das Planen einer Radtour eine wirklich wichtige Frage, denn Wasserwege haben keine Hügel! :-)
Lüneburger Heide
Schön, schöner, Lüneburger Heide... ja sehr schön und das bleibt auch in Erinnerung. Zum Glück hat hier meine Kamera aufgegeben und ich hatte wenig Lust neue Akkus rauszuwühlen oder ständig das Navi Handy abzupulen. Darum nur dieses Bild ... und weil es eben schön ist und so in Erinnerung bleiben soll! Nicht fotografiert: der Zauberhafte Ort Undeloh, der aber eher eine Art Scharbeutz im Wald mit Wohnmobil-Platz ist. Auch nicht fotografiert: der Wildewächter, der mich aufforderte mein Fahrrad ordentlich hinzustellen und erst recht nicht fotografiert: die plötzlichen Weichsand Stellen die bergauf kurzerhand jede Fahr beenden und die bergab, bei 30Kmh plötzlich das Hinterrad wegschieben... selten einem dreifachen Rittberger so nahe gewesen... aber ja, schön ist es schon.
Einen Moent lang hatte ich die Idee lustige Schilder zu fotografieren. Das Problem: dann komme ich nie an, denn egal ob "hinter der Hölle" oder "Feuerwerderhausener Damm" der Blödsinn ist derart vielfältig, dass jede Dokumentation scheitern muss. Bei einem Schild konnte ich nicht anders. Das ist kein Ort,, das ist ein politisches Statement"
Bergen Sülze Gradierwerk - ende erster Tag
Endlich angekommen. war doch etwas sportlich heute. Das Hotel ist freundlich, sauber und unfassbar 80er, Jedes Bild jede Deko, einfach alles atment den Geist von Starsky und Hutch, VHS-Kassette, Cola Rum, Partykeller und Phil Collins... fast schon wieder schön! :-)
Tag 2
Spätestens seit dem "rumble in the jungle" in dem Muhammad Ali den haushoch überlegenen George Forman besiegte, ist der Begriff des "overpasten" bekannt. Warmes Wetter und sieben Runden Dauerschlagen hatten den Champion so müde gemacht, dass Ali ihn in der Achten weghaut. Der zweite Tag fühlt sich beim Losfahren irgendwie wie Kinshasa siebte Runde an... Na mal sehen..
CElle
Jeder der mich kennt weiß, dass jetzt nichts anderes kommen kann:
"Das Leben entsteht auf alle Fälle aus einer Zelle, und nur manchmal und nur bei Strolchen, endet es auch in einer solchen"
H. Ehrhardt
Aber die Baustelle mal weggedacht sieht das ganz pussierlich aus. Ich dachte bei Celle bisher immer an das "Celler Loch"... (die Jüngeren haben ja Google) aber der Ort ist erstaunlich hübsch.
Ehrlich gesagt genieße ich natürlich die Schönheit der Natur und der Bauten, aber auf einer Biketour bekommen auch andere Orte einen echten Wert. Zum Beispiel das Celle Center. Ein Rewe, ein Klo!!!! und ... Hurra eine Post zum versenden des ganzen Plunders, von dem ich nicht weiß wer so blöd war, das alles einzupacken und wie irgendwer auf die Idee kommen kann, dass man mit 25Kg Gepäck (ich wieg ja fast nix) einen Berg hochkommen soll.
Eine Falle und eine Entdeckung
Da mir die B3 zu langweilig wurde und ich ein Schild mit einem Radweg sah, habe ich die Strecke hinter Celle noch einmal im Navi neu angelegt und tatsächlich dort schien ein wunderbarer nicht allzu langer Weg zu sein... allerdings...
Moment mal... was sind denn das für Bäume? Das sind doch nicht? Doch!
So genug getrödelt und Kirschkerne gespuckt... jetzt mal ordentlich Gas geben... äh oder nicht.
Gerade war ich in Sachen Bahn irgendwie positiv beseelt, nun stehe ich seit einigen Minuten vor einer Schranke, die sich einfach nicht öffnen will vorsichtiger Blick auf die Gleise... still ruht der See.
Bei genauerem Hinsehen wäre mir vielleicht früher der kleine gelbe Kasten im Gebüsch aufgefallen
Kaum war der Knopf gedrückt ertönte ein "Moin, kommt gleich noch einer dann mach ich auf" Eindeutig keine Automat. Cool.
Canale Grande
Zwei Dinge werden mich bis zu meinem heutigen Ziel HILDESHEIM begleiten. Der immer noch genutzte Stichkanal Hildesheim und nicht mehr genutzte Bahngleise
Alte Bahnbrücke über den Stichkanal
Mehr vergessene Gleise
Offizieller Badespot im Stichkanal
PS
Nachdem er mich beim Fotografieren gesehen hat war das Boot plötzlich ganz langsam, nach dem Zuruf "macht ruhig weiter ich bin nur ein Touri" gings wieder los mit den Doughnuts.
Partyzone Industriekanal...
Am Ende wurde es dann aber doch noch einmal romantisch.
Ankunft Hildesheim Hafen... äh die wollen jetzt nicht wirklich, dass ich den Kohleberg hochfahre, oder?
Mein Gott Hildesheim, du bist selbst als Gewerbegebiet hässlich. Eine Art 70er Jahre Sanierungsgebiet mit Bewohnern...
Dieser Eindruck änderte sich bis zuletzt nicht. Hinzu kam eine 70er Jahre Beton-City mit den Rossmanns dieser Welt. Ich dachte nur noch "Augen zu und durch" und bog in die Straße des Hotels ein... Huch!
Rechts ist das Hotel und davor der Frühstücksplatz. Cool oder? Hinzu kam für 79,-€ ein absolutes Luxushotel und die Spitze war die Ansage "Fahren Sie ihr Fahrrad gerne herein, wir schließen es dann weg... Hat irgendjemand von Euch mal eine Rezeption mit dem Fahrrad angefahren? Ich musste ein Bild machen!
Der 3. Tag
Ehrlich gesagt hatte ich mich wiederum verschätzt und mir tat in der Nacht alles weh, es war wie wenn man eine Grippe mit Gelenk-Schmerzen nachts ausagiert. Morgens fühlte ich mich dann aber erstaunlich fit. Da es in diesem wunderbaren Hotel ein super Frühstück gab und ich mit der Homepage begann und ohnhehin schon 193 Km auf der Uhr hatte ließ ich es langsam angehen und startete erst ab 12.
Menschenskinder 1
Ich bin ja bekannt dafür, technisch gut ausgestattet zu sein. Navi, Planungs-App, Rechner dabei etc. aber heute war einmal wieder ein Tag der zeigte, dass es oft besser ist einfach einmal mit jemandem zu sprechen. Zuerst fiel mir auf, dass ich vergessen hatte Wasser aus Hildesheim mitzunehmen. Der Gedanke einen Umweg in der hügeligen Gegend zu machen, um einen Supermarkt zu finden, nervte schon. Kein Laden zu sehen weit und breit und nur kleine Dörfer auf der Strecke. Irgendwann stoppte ich und fragte jemanden. Der deutet auf eine schlichte Backsteinmauer und antwortet: "Wieso? das ist doch die Rückseite des REWE." Hätte ich nie gesehen!
Menschenskinder 2
Kurz nach dem Einkauf zog es sich zu und wurde dunkel. Gewitter. Da ich nur noch eine Einzelhaus-Siedlung vor mir hatte und danach 8 Km freies Feld entschied ich einfach irgendwo zu fragen, ob ich mich unterstellen darf, was eine nette Person mir erlaubte. Gerade rechtzeitig. Als ich das Fahrrad ins Carport schob schlug es keine 100m entfernt ein. Kurz darauf rief mich der Mann auf einen Kaffee herein. Ulrike und Horst. Wie nett. Das Wohnzimmer war dann allerdings eine mit Puppen und Kunsthandwerk überfrachtete Trostlosigkeit. Schnell gab es Kaffee und Kuchen und ich erblickte im Flur eine Tasche mit der Aufschrift JW.ORG. JW? Klingelt es? Das ist englisch für "Jehowas Wittnesses" Wir haben das Thema Religion dann vermieden, Sie waren wirklich nett und der Kuchen war gut und aus Respekt habe ich dann auch einen Wachturm mitgenommen. Und das mir. Sachen gibt´s...
Nach dem Gewitter kam die Sonne wieder heraus, was nicht nur zur Weiterfahrt sondern auch (Ich startete ja bei bewölktem Himmel) zu einem ordentlichen Sonnenbrand führte (war irgendwie nicht mein Tag)
Keine Bahn, aber auch sehr romantisch, oder?
Apropos nicht mein Tag: wenn man sich den Berg hochquält braucht man nicht auch noch eine solche Ansage...
Es wurde dann aber doch noch besser. Der Grund hieß "Radweg der Kunst" eine ehemalige Bahnstrecke (da ist es wieder, das Bahn-Thema) 25 Km blank, gerade, geschützt. Keine Ahnung, was mich dann geritten hat, um 16:30 ein Hotel in 50 Km Entfernung zu buchen... Erfahrung der letzten beiden Tage oder eine irgendwie geartete Lernkurve kann es definitiv nicht gewesen sein. Ich hab dann darauf verzichtet, die Kunstwerke anzuschauen.
Was das Bild soll? Nun, vor zwei Wochen haben wir ein neues Auto gekauft. Nach desolaten Erfahrungen mit Hamburgs Händlern eben billig im Internet von Irgendwo. Am Ende gewann der Renault Hermann aus Northeim... und wo komme ich grad zufällig vorbei? Eben.
Am Ende erreiche ich gegen 21:30 den Weender Hof im Norden von Göttingen. Die letzen 2 Km habe ich 50-meter weise an den Leitpfosten abgezählt. zum Glück ist der Wirt ein Schatz, macht noch Essen und kümmert sich um alles. Puh...
Tag 4
Heute ist nicht nur Sonntag, heute wird es - das hab ich mir versprochen - auch definitiv eine kürzere Tour. Bad Sooden oder Eschwege 48 oder 60 Km.
Auf dieser entspannten Tour sieht sogar Göttingen schnuckelig aus.
Übrigens, auch wenn es nicht betont werden muss: alles in diesem Tourbuch ist absoulot wahr... Diesr beiden Grabsteine auch :-)
Flüsse und Bahnen sind Freunde. :-)
Gerade rechtzeitig für einen kleinen Regenschauer. Rittergut mit Cafe und einer ganz wunderbaren Weberei. Sooo tolle Decken und Stoffe... aber mir kommt kein weiteres Gramm aufs Rad!
Ja, ich weiß, mein Fahrradhelm ist längs geriffelt...
Kein Fake Bild - Kein einziges normales Rad vor dem Café Ich fühle mich als lonesome Hero!
Es gibt übrigens tolle Zimmer auf vielen Burgen... sie haben aber alle einen Nachteil...
ooops... n Tick zu weit nach Osten...?
Wer macht denn sowas? Das ist wohl hoffentlich ein Irrtum... Oder aber ein letztes Zeichen der Warnung für die vor mir liegenden Km mit gut 300 Höhenmetern.
Endlich! Werra, wunderbare Werra. 100 Millionen Jahre Arbeit, damit ich die letzten 25 Km entspannt durchs Mittelgebirge nach Bad Sooden gleiten kann. und so hübsch... Danke!
Puppenstubenhausen! Das Hotel für heute!
Tag 5
STADT? Land? Fluß!!
Nachdem ich mir gestern zum Teil vorkam wie Fitzcarraldo (ihr wisst schon, der Film in dem Klaus Kinski ein Schiff über einen Berg ziehen lässt) und hinterher die Fahrt an der Werra genossen habe, beschließe ich meiner neuen Liebe treu zu bleiben und weiter an der Werra zu fahren. Das sind zwar 50Km Umweg, andererseits habe ich gestern in Teilen auch wieder das Rad geschoben und an der Werra bin ich überwiegend flott unterwegs gewesen. Natürlich gibt es auch hier Stellen, wie die Ortseinfahrt Bad Sooden, wo der Radweg so steil ist, dass selbst Fußgänger den nur schwer hochkommen???
Das mysteriöse Bad Salzungen
Das wichtigste gleich vorab. Heute habe ich das erste Mal eine Etappe abgebrochen oder sagen wir... verkürzt. Nach dem Zwischenstopp in Eschwege meldete mir Google Rad 60km bis Bad Salzungen. Da ich die Werra an meiner Seite wusste, sah das ganz gut aus und ich buchte dort ein Zimmer. beim zweiten Zwischenstopp 30 Km später, hieß es noch 50 Km??? Nach weiteren 20 Km waren es noch 40... Aber meine ansonsten wunderbare neue Begleiterin Werra ließ am Nachmittag keine Radfahrer mehr nah an sich heran (hab ich was falsch gemacht?) und ihr war Umfeld abweisend und hügelig. Mein eigentliches Lieblingswetter -Quellwolken und Wind- hatte auch was gegen mich (Alle lustig schnell drehenden Windräder zeigten in meine FahrtrIchtung) und da ich immer noch sehr schwer unterweg bin, machte ich gegen 20 Uhr nach 90 Km schlapp und sitze jetzt in einer ziemlich finsteren Unterkunft in der Heldenstadt "Gerstung" und grüble über Algorythmen und GPS. Aber der Reihe nach...
Da lernste was für´s Leben...
... um es mal überraschnend neu und ohne Pathos zu sagen. :-)
Ja, platt, aber Gedanke kam mir heute häufiger: wenn Du am Limit agierst und etwas passiert, dann werden kleine Probleme schnell zu großen Sorgen, die sich aber nach Lösungen oder einfach durch besseres Wetter so schnell wieder auflösen, dass man sich da einiges für längere Zeitläufe oder echte Krisen abgucken kann. So ein Tag war das heute.
Zuerst habe ich mich mit dem Hotelier in Bad Sooden verquatscht. Ich schwöre ich kann nichts dafür!!! Er ist passionierter Rockmusiker, organisiert Festivals und seine zweite Leidenschaft ist Tauchen... was soll man da machen?
Als ich mich endlich losriss, hatte ein Gewitter den gleichen Gedanken und ich musste warten. Hinzu kamen zwei Sachen. Erstens: Mein 2. Gang - mein häufigster Berggang macht schlapp, er kracht durch und man tritt ins Leere. Zweitens: Meine Powerbank ist kaputt gegangen. Keine Powerbank kein Navi (zumindest nach ein paar Stunden.) Also recherchiert, einen Elektroladen ausfindig gemacht ( es gab mal 4 in Bad Sooden aber jetzt keinen mehr) und mir vorgenommen dort auch das Rad zu checken. Dennoch: ein guter Start sieht anders aus und als der Donner sich entfernte, bin ich im Nieselregen los
Warteposition im Hotelhof.
Erstes Ziel also Euronics Eschwege. Auf dem Weg dahin kam erneut ein Gewitter auf und weil ja eigentlich fast alles klappt, wenn Engel reisen, hab ich es grad noch unter eine Brücke geschafft. Seitdem weiß ich, dass die Regenwasserdusche in Wirklichkeit von einem hessischen Straßenbaumeister erfunden wurde. :-)
Haaaaalooo Eschwege! Aufwachen! Wir schreiben das Jahr 2020 und wenn ich eines der wunderbarsten Markt-Ensembles in diesem Land mein Eigen nenne, dann mache ich den Marktplatz nicht zum Parkplatz, das ist ja sowas von 80er wenn überhaupt. Ein gutes Zeichen aber, dass es mir als ehemaligem PS-Freak (ja OK es gibt immer mal einen Rückfall) inzwischen sofort und intuitiv unter die Haut geht. Es gibt also Hoffnung.
Sie hält, was sie verspricht: glatte Piste, stundenlang Auen schauen und Dorfer wie gemalt. Dar Tag ist mein...
Da es hier mehr Burgen als verlassene Gleise gibt, passe ich mein fotografisches Sujet ein wenig an. :-)
Obwohl: ganz weg ist die Bahn nicht, Teile des Warra Radwanderweg heißen "alte Werratal Bahn"
PS Ihr seid nicht böse, wenn ich nicht jede Burg recherchiere, oder? Das erste Bild ist aber Creuzburg
16% Steigung auf dem Weg zur Burg ist alles, aber nicht barrierefrei, also zumindest nicht für mich und mein Fahrrad
Ab Km 40 wird geposed. (wie schreibt man das?) Ausgewaschener Kalkstein nach dem Motto: "wer ist schon die Elbe..."
Nanu? was fährt denn da durch die Bäume?
Es ist mir leider nicht gegeben, das Gefühl fotografisch einzufangen, dass einen unter einer solchen Konstruktion beschleicht.
In so einem Brückenpfeiler könnte eine Familie bequem wohnen...
Wie gesagt: ein Achterbahntag. Erst ganz trübe, dann lange super, dann wieder trübe und jetzt - ich trau mich kaum es in dieser Zeit zu schreiben - sitze ich zwar in ein ziemlich trübseliges Hotel, aber mit angegliederter Schlachterei und nach dem ich heute mittag nur Tofubällchen und Joghurt hatte (Ehrenwort) gab es eben sowas von einem Steak! Die Hütte ist sauber, die Dusche geht, WLAN auch, das Bett ist OK, Der Bauch ist voll der Bericht geschrieben. Alles ist gut! :-)
Morgen werde ich mal planen wie es weiter geht, denn eines wurde mir heute auch klar. Mit diesem Rad (ja ok, und diesem Körper) sind 900 Km (es sind ja mehr geworden) in zehn Tagen mit vertretbarem Aufwand nicht zu schaffen. Ich werde die Reiseroute also anpassen. Aber wie? Hier gibt es maximal den Schulbus... hmmm Schlafen hilft.
Tag 6
Entscheidungen
Heute ist ein Tag, der gut geplant sein will. - ich muss einige Entscheidungen treffen. Zunächst einmal habe ich beschlossen die Nähe-Distanz-Spielchen der Werra nicht mehr zu tolerieren. Ja, wir hatten eine gute Zeit, aber für mich bedeutet es - so wie es jetzt läuft - ein einziges auf und ab. :-)
Die zweite Frage stellte sich mir ja schon gestern Abend: will ich eigentlich überhaupt so weitermachen? Im Moment vergeht etwas Tageszeit mit Organisatorischem und Abends mit Schreiben und Ausruhen. Der Rest des Tages ist strampeln um die Strecke zu halten (80-100km/Tag) dabei werde ich zunehmends schneller müde und ich ertappe mich dabei, schöne Dinge im Vorbeifahren zu fotografieren, Mittagessen auf kurze Pickncks neben der Strecke zu verlegen und habe aus der Not heraus sogar eine neue Sportart erfunden.... hmmm ich nenne sie Rolling Stretch. (zumindest bis ich einen guten Namen gefunden habe :-) ! )
Die Übungen bestehen daraus, beim Rollen auf abschüssiger Strecke alle Arten von Stretching-Übungen während der Fahrt durchzuführen, wie z.B. den Rad-Schräg-halten-Oberschenkel-Innenseite-auf-der-Stange-massieren-MOVE. Trotzdem werde ich nach 3-4 Stunden immer langsamer, so dass die Nettozeit auf dem Rad inzwischen 8 Stunden beträgt.
Aber abseits schriller Stunts wächst auch das Gefühl, dass es einfach zu wenig ist, nur Strecke zu schaffen. Zuende gedacht bedeutet es aber, den Gedanken des durchradelns loszulassen und sich nach einem geeigneten Bahnhof für einen Zwischenspurt umzusehen. Auch den kann mir die Werra übrigens nicht bieten.
Damit ich mit der Bahn nicht langsamer unterwegs bin, als mit dem Rad, benötige ich eine der Fernstrecken nach Süden. Davon gibt es erreichbar nur zwei. Die Ostroute von Berlin und die Mittenroute aus Hannover - also Eisenach oder Fulda. Eisenach wäre sehr reizvoll, aber ich bin schon 30Km dran vorbei und rückwärts? Nein! (Andererseits hätte ich dann Rückenwind) :-)
Also nach Bahntickets von Fulda nach Ingolstadt geschaut: Alle Sitze frei, alle Fahrradplätz ausgebucht. Erster Zug der einen Fahrradplatz hat, fährt am 2.7. um 17:00. Ich hätte also 1,5 Tage Pause. Verdammt. ------ Wieso eigentlich "verdammt"? Wenn ich in Fulda ankomme, werde ich knapp 500 Km durchgeradelt haben, da ist eine Pause für Körper und Geist doch perfekt... Ab Ingolstadt könnten dann Halbtagstouren reichen, um noch anzukommen. klick, klick gebucht.
ABER:
Gerstungen-Fulda eine Hügelstrecke mit gut 600 Höhenmetern...
Meine Sachen kriegen Beine
Allerdings in umgekehrter Richtung. Sie laufen mir hinterher. Nach dem Frühstück finde ich Vergessenes auf meinem Fahrrad...
Ich tröste mich, damit, dass ich nicht der einzige bin, der mal Sachen versemmelt. Den ersten Brückenbauern ist hier auch was dazwischen gekommen und dann haben sie es vergessen...
You and me Baby ain´t nothing but mammels...
Jedes Säugetier hat den Reflex sich bei Todesangst oder Flucht von allem zu erleichtern, was es nicht benötigt, um schneller zu werden. Dies gilt auch für Menschen, obwohl dieser sehr nützliche Effekt gesellschaftlich geächtet ist. Auch wenn Radfahrer die am höchsten entwickelte Lebensform sind, gilt dies ebenso für mich. Meine erste Fahrt in Anbetracht der vor mir liegenden Tour war also reflexartig zur Post, weitere 4,7 Kg abwerfen. Damit wird auch klar, wie ich emotional zu dieser Etappe stehe. :-)
Keine Ahnung wie oft ich auf dieser Tour schon die ehemalige Grenze pasiert habe, aber immer wieder merkwürdig berührend.
Ehemaliger Grenzstreifen
Hurra! Der Wind ändert sich!
Also nicht die Richtung, aber er frisch auf. Inzwischen durchgehen 5-6 von vorn. Ich kriege wirre Gedanken: Pause machen bis die Maisfelder hochgewachsen sind? Hinstellen und ohne Anstrengung zurück zum Mildestieg segeln und die Sache vergessen? Ich mach mir Musik an.
Bild unten: Gras am Wegesrand - meine Fahrtrichtung - RECHTS.
Ein letztes, romantisches Angebot der Werra, Wunderschön, aber ich will weiter, es rappelt total und ich darf hier egentlich gar nicht fahren... Es ist vorbei.
Endlich! Berge in Sicht. Hier der Monte Kali. Der heißt wirklich so, ist ca 250m hoch und kann mit "Bergführer" besucht werden...
Wieso habe ich plötzlich so einen Jieper auf einen grünen Smoothi?
Ich dachte, Fördertürme gibt es nur im Museum. Dieser dreht laut vernehmlich rauf und runter und erfreut sich offenbar bester Nutzung.
Die Rückkehr...
... meiner Freunde: vergessene Gleise. Kein Wunder, ich bin im Zentrum des Deutschen Kali-Bergbaus und das seit 1895. (also der Bergbau, nicht meine Anwesenheit) Allerdings wird unser Verhältnis von Planern belastet. Gut 15 Km fahre ich bei Gegenwind neben verschiedenen Trassen, die schnurgerade verlaufen, während ich 30m rauf, 40m runter 20m rauf fahre, und das so steil, dass ich immer schieben muss. Es wäre ein kleiner Schritt im Denken, aber ein großer für die radelnde Menschheit auch hier die Gleise zu Wegen zu machen anstatt einen zweiten daneben zu bauen. Inzwischen habe ich fast den ganzen Back-Katalog von Genesis durchgehört und stelle fest das 7/8 oder 5/4 Takte das Strampeln nicht befördern. Auch die vereinzelt von mir laut in den Wind gebrüllten Schimpfwörter sind nicht genau auf dem Takt.
Der höchste Punkt der heutigen Tour. Burg Fürsteneck. in einer einzigen langen Geraden vonn 200m auf 500m das meiste im Berggang mit ca 5 km/h. Währrend ich noch fluche, geht es auf der anderen Seite auf halber Strecke, also doppelt so steil wieder runter. irgendwo zwischen 45 und 48 Km/h fang ich an zu bremsen obwohl mir bremsen auf freier, gerader Strecke irgendwie unnatürlich vorkommt.
Nach 1,5 Km immer noch Schwung...
ENDLICH!
Das "Endlich" musste ich fett setzen. 9 Km vor Hünfeld wird die Bahntrasse Fahrradweg. und was für einer: 200m runter auf 9 Km, windgeschützt, glatt.
OK ich gebe zu, zu den Dingen die ich Rande eines hessischen Radweges am wenigsten erwartet hätte wären neben Aliens, dem Dalai Lama oder eine Hamburger Fischbude, ein ausgewachsener NAZGUL. Womit mal wieder bewiesen ist, dass Kunst alles darf, vor allem überraschen.
Hünfeld Km 475 ca 16 Km vor Fulda. Gegenwind, Berge und der freudige Sprint am Ende machen sich bemerkbar. Das erste, was ich hier erblicke ist ein schicker Bahnhof. Stündlich für 5 € in 11 Min. in Fulda....
Es ist 18:30 ich habe nach dem Frühstück noch nichts gegessen und beschließe den örtlichen Italiener glücklich zu machen. Meine App sagt mir, dass nach dem Fürsteneck, die zweithöhste Erhebung gleich noch kommt. Das bedeutet, wenn kch mich jetzt ordentlich ausruhe und bergmäßig langsam voran komme, bin ich ca 21:30 fix und fertig im Hotel in Fulda. Trotz liebevoll pädagogischer Zusprache von Nicole (danke) und Regina (wirklich danke), beschließe ich den Helden an der Garderobe abzugeben und mir den Abend gemütlich zu machen. gleichzeitig buche ich von hier aus mal zwei Nächte eine feiste Unterkunft mit Wäscheservice und so... 475 Km Ich finde ich hab es mir verdient.
Tage 7/8 - Pause
Gut-Besser-Genug-Zuviel-Goldener Karpfen
Gut, selber Schuld: ich wollte ein Romantik Hotel - ich bekam ein Romantik Hotel - oder besser: die ins absurde gesteigerte Version davon. Wobei dieser Bericht keine Beschwerde ist. In Anbetracht des Services, des Essens, der Zimmer und der permanent um einen herumwuselnden Menschen, die einen fragen ob sie etwas tun können, ist dieses Hotel ein Schnäppchen und das was ich wollte. Und "das andere" kann ich auch zwei Tage aushalten. Dieses Haus ist in eine Ausmaß aus der Zeit gefallen, dass es einen schüttelt. Eine wirre Menge Bilder wirklich aller Art von Pop Art bis röhrendem Hirsch, Geschäftsleute und Rentner mischen sich mit Sugar Saddys im Assauer Style. Dazwischen die besagte lievrierte Bedienung, sehr zuvorkommend. Das ganze Orchester wird von zwei alten Damen geleitet, die sich auf unzähligen Bildern mit C-Promis in verschiedenen Altersstufen wiederfinden. Die netten Bilder sind in S/W. Wenn man hier sitzt und tippt und dem Treiben zuschaut und zuhört kann man aus dem Stand (oder Sitz) 5 Staffeln einer Serie schreiben...
Suchbild
Diesen Teil des Foyers nennen die Angestellten "Wohnzimmer der Chefin" hier speist die Chefin auch. Anders as gedacht, kann man sich hier auch hinsetzen. Ich habe auf dem Bild meinen Schreibplatz mit PC versteckt. Findet Ihr ihn?
Was macht eigentlich Tebartz van elst?
Antwort: er lässt es sich inzwischen als Strafe für seine Verschwendungssucht in Rom mit einer Reihe Sonderposten gut gehen. Wenn er in Fulda weilt, dann hier, ebenso wie viele andere aktuelle Superstars wie die Kessler Zwillinge, Rene Kollo, Ilja Richter, Willi (von "Willi wills wissen") oder Justus Frantz. Natürlich auch eine Reihe Schwippschwager-Vettern der Hohenzollern und elegant in Weiß oder Purpur gekleidete Männer mit Kreuz-Kette, deren Reiseabteilung sicher nicht bei Opodo die Preise vergleicht. :-) Immer mit auf dem Bild: eine schicke Blondine mit dem gleichen Gesicht wie das der alten Dame an der Rezeption.
Einziger Ausreißer in diesem Gruselkabinett: ein Bild mit Widmung von der Band DEEP PURPLE??????
Stadtspaziergang
Darüber hinaus gibt es an einem Pausentag naturgemäß wenig zu berichten. Etwas Buch tippen, ein Stadtspaziergang von dem ich noch ein paar Bilder anhänge und ein Absacker-Steak beim Mexikaner. :-) Das war´s und ab ins Bett.
Der beeindruckende Dom bei wildromantischem Wetter. Teil des großen Barock-Viertels
1000 Jahre alte Basilika - ein magischer Ort.
Stadtschloss
Altes Rathaus
Der zweite Tag in Fulda...
... hätte wirklich nicht sein müssen. War der erste Tag eine wirklich gute Erhohlung, hörte ich am zweiten jeden Muskel meines Körpers "hey, ich glaub der Wahnsinn ist zuende, wir können uns wieder in den Büromodus begeben." Ich bin heute gefühlt um Jahre gealtert.
Natürlich habe ich viel Zeit des Tages damit verbracht, die verbleibenen Kilometer zu planen. Eine wichtige Frage war: wie weit in den Süden radel ich nach der Ankunft um 19:00? Nach deutlich verbesserter Selbsteinschätzung, habe ich mich für ein Hotel in Rohrbach entschieden, das liegt 25 Km südlich von Ingolstadt. Darüber hinaus ließ mich das Thema Bahntrassen nicht mehr los. Es gibt in der Tat eine Vielzahl von Trassen und eine Reihe Nerds, die dazu Internetseiten machen, leider sieht das dann so aus... (Bahntrassenradeln.de)
Die Bahnfahrt war dösig und unspektakulär. In Ingolstadt empfing mich dann ein etwas anderes Wetter...
Da der Boden schwamm und sich die Wand langsam zu entfernen schien, war ich mir sicher, hinter der Front aus dem Zug gestiegen zu sein und fuhr trotz Donnergrollens genau in diese Richtung. Auf der Route gab es ein längeres Waldstück. Ich bin insbesondere auch in Niedersachsen oft an Wäldern entlang und auch mal durch welche hindurch gefahren, aber dies hier war anders, das Licht, die dampfende Feuchte, das tiefe Grün, fast schon wie Costa Rica. Die Luft war frisch und roch wie nach einem Sommerregen... was ja auch irgendwie nicht verwundert. :-)
Unglaublich, wie sehr sich durch den kleinen Hüpfer alles verändert. Die Häuser, die Leute. die Topografie. Der Gasthof Zedlmair in Rohrbach ist Ur-Bayerisch war eine gute Wahl. (Bild siehe Tag 10). Sehr gepflegt und sehr freundlich, bis auf ein kurzes Gespräch. das ich mal im O-Ton wiederzugeben versuche:
Sie: "Wann möchtens denn Frühstücken, der Herr, um Achte?"
Ich: Acht???? Hmm also eigentlich...."
Sie: "Ja sie könnens auch früher, Sieben?"
Ich Nein nein nein. eher später.
Sie:: "Also Achte"
Ich: vielleicht Halb Neun?
Sie: "ja des geht nimma, Sie sind morgen der einzige und der wo Ihnen des Frühstück macht, muss um halbe neun wieder weg"
Ich: "na gut, dann Acht."
Sie "Sehr wohl, ganz wie Sie wünschen."
Ich: ?????
Tag 9
Neue Neue PLanung
Gestern hatte ich mit Bine telefoniert und sie ist etwas unpässlich und kann mit Kolja nicht so viel unternehmen. Die beiden haben sich darum gewünscht, dass ich nicht zu den drei geplanten Tour-Tagen in Bayern noch weitere anhänge und wir und uns auf jden Fall am Sonntag treffen, Ich fand den Gedanken komisch, hier ganz langsam die Tage zu genießen, wenn die beiden warten und überlege, die verbliebenen ca 140 Km in zwei Tagen zu fahren. Dabei sind die letzten 40Km. sehr hügelig, so dass ich möglichst nah an die Stelle heran möchte, um mich am zweiten Tag frisch und mit wenigen Km um die Hügel zu kümmern. Aber nichts verraten, soll ne Überraschung sein. :-)
Eigentlich eine gute Idee mit dem frühen Frühstück, wenn ich heute ordentlich Meter machen möchte! Gut gestärkt geht es beim Zedlmair los
Die Vegetation orientiert sich um Richtung Bier.
OK, vor den Bibern fürchte ich mich wirklich, wenn Sie Löcher in den Weg fressen, denn der ist immerhin alsphaltiert...
Was wir über den Kämmerer von Pfaffenhofen wissen.
So einiges. Er ist sparsam, vorausschauend, ein Ästhet und er fährt kein Fahrrad.
Woher ich das weiß? Kies. Kies ist günstig, langlebig, pflegeleicht, ästhetisch und er wird in größeren Mengen an stark abschüssigen Autobahnstrecken als Notbremse für defekte LKW angelegt, weil er alles, was rollt sofort zum Stillstand bringt. Deswegen würde niemand, der selbst Fahrrad fährt und irgendwie bei Verstand ist, einen Fahrradweg mit ordentlich Kies ausstatten. Nicht wahr Herr Kämmerer?
Bavaria
Was für eine Tour, Bayern zeigt sich von der Touri-Prospekt-Seite. Im Osten begleitet mich die ganze Zeit eine schwarze Gewitterwolke, ich hole mir derweil einen weiteren Sonnenbrand. (Nicht gleich weiterscrollen, das ist eine animierte Bildfolge) :-)
Was für eine Schönheit, sie erinnert mich an... (achtung Schenkelklopfer) meine Verflossene, die Werra. Ihren Namen wollte sie aber nicht sagen.
Alle Flüsse sind von den Regenfällen der vergangenen Tage bis an den Rand gefüllt. Besonders eindrucksvoll: die Isar.
Ein etwas zu frühes Resume
Die Gesamttour nähert sich dem Ende. Der Hirschtalg ist bald alle, die Pferdesalbe auch. Ich fange an zu resumieren. Selbstverständlich sinniere ich während der Fahrt auch über Texte, die ich schreiben werde. Bei wem meiner Begleiter ich mich noch bedanken muss, wo ich mal eine klare Ansage machen möchte und welche Tipps und kleine Anekdoten ich noch nicht geschrieben habe. Ein Text, den ich innerlich vorbereite, ist ein Dankeschön an mein Bike. Ich hatte es extra noch zur Wartung bringen lassen und es hat eine neue Kette und Ritzel bekommen. Der Rest, sagte der Fahrradhändler, sei reif für eine lange Tour. Ein Kleinigkeit, die ich nicht mehr weg bekam, war eine kleine Unwucht im vorderen Mantel. Abgezogen, Talkum, wieder aufgezogen, Luft rein, wieder raus, rumgebogen... am Ende entschied ich, dass es eine tolerable Kleinigkeit sei. Zwar hat die Unwucht mit den Tagen zugenommen, aber wenn ich den Reifen beobachtete, war keine Veränderung zu sehen. Nun, just auf den Kilometern, auf denen ich über eine Lobeshymne auf das Fahrrad nachdachte, wurde die Unwucht immer heftiger. Wieder den Reifen beobachtet. Nichts. Hinterrad beobachtet. Nichts. Inzwischen zappelte das ganze Rad. OK abgestiegen, Vorderrad angeschaut, Hinterad angeschaut... und dann die letzte Probe: das Rad hinten seitlich gedrückt. Yepp. Ich kann die hintere Felge locker 5 CM wegdrücken ohne dass die Nabe mitkommt. Die Speichen haben sich gelockert-und wie. Ich darf gar nicht über die ganzen Schussfahrten von irgendwelchen Bergen nachdenken. Zum Glück konnte ich der Versuchung wiederstehen, das Spezialwerkzeug im Übermut vor Fulda mitzuversenden. Das wird eine meditative Stunde, denn wer sich mit Rädern auskennt, weiß, dass man nicht einfach die lockeren festziehen kann. Wie beim Stimmen einer Trommel muss immer wechelseitig gegenüber gezogen werden, also 12 UHr, 6 Uhr, 1 Uhr 7 Uhr etc. und immer wieder drehen um zu schauen dass man sich keine 8 ins Rad zieht... Ommmmmmmm. Mein Spezial-Tourenkit nutze ich das erste Mal, jetzt weiß ich auch, dass die Spezial Speichenschlüssel um 1/10mm zu klein sind und man sie nur von Oben, wo sich die Speichenschrauben verjüngen ansetzen kann, was die Arbeitszeit locker verdoppelt Ommmmmmmmmmmm
Ommmmmm
Das Ergebnis lässt mich in einem emotionalen Zwiespalt zurück. Nicht nur ist das Zappeln weg, auch die seit Hamburg spürbare Unwucht ist verschunden, das Rad läuft - trotz leichter Beule am Mantel vorn - wie auf Schienen. Das aber bedeutet, dass die Speichen schon in Hamburg locker gewesen sein müssen. Na toll! Ich ringe also mit mir, ob ich die nächsten Kilometer auf den Händler fluche oder mit stolzem Grinsen den Triumph einer gelungenen Aktion auskosten soll. Nach einigen MInuten schwenke ich mit einem geraunten "alles muss man selber machen" auf Letzteres ein. Der Gedanke, wie viel Kraft das Gezappel, das ja auch an die Bremsen schlug, die letzten Tage gekostet hat, ist verboten, sonst lande ich wieder bei 1. :-)
Verfahren?
Die erste Sichtung, die mich etwas verunsicherte, war folgendes Fahrzeug in einem Vorgarten.
Als wenige Momente später, folgendes Straßenschild auftauchte, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich in Ingolstadt vielleicht auf dem Gleis 8 3/4 ausgestiegen bin...
Dann aber die Gewissheit nach einer Kuppe nach ca 600 Fahrradkilometern und 200 Bahnkilometern der erste Blick auf die echten Berge. klar gibt es da auch Spuren von Kali, aber eben auch alles andere. :-) Hohenlinden ist der perfekte Zielort. Direkt vor der Hügeletappe. 83 Km gefahren trotz Reparatur und trotz einer Deutschlandweiten Unwetterwoche trocken mit dem Fahrrad durchs ganze Land... Holz her, morgen ist ja auch noch ein Tag.
Tag 10 - Finaaaale oho....
Nichts wie weg...
Wie eine Radreparatur, gehört auch ein hotelmäßiger "Griff ins Klo" zu jeder ordentlichen Tour- alles andere wäre irgendwie unrealistisch. Das Hotel zur Linde ist zwar gut bewertet, von außen schnuckelig und hat ein gutes Frühstück.... aber... es ist leer, dunkel, irgenwie tot. OK Corona - dafür können die nichts. Als ich aber das Zimmer aufschloss, schlug mir eine solche Mottemittel-Wolke entgegen, dass es mir den Atem verschlug und ich bin durchaus robust. Schlimmer noch: das Bett ist benutzt und nur grob wieder gerade hingelegt. Inzwischen war niemand mehr da, den ich um ein anderes Zimmer hätte bitten können. iiihhh.
Geht gut los
Das Wetter ist großartig, die Aussicht auf ein Kaffetrinken in Prien auch! Den ersten ud größten Hügel schaffe ich recht locker, bei der anschließenden Abfahrt entschließe ich mich in Anbetracht der höchst persönlich festgezogenen Speichen, einer guten Straße und meines Grundvertrauens in mein Bike, nicht zu Bremsen und rolle mit meinem bis dato persönlichen Bestwert von 54,5 Km/h den Berg herunter, spüre aber deutlich, dass der tapfere Drahtesel für eine solche Kombination aus Gewicht und Tempo schlicht nicht konstruiert ist. Nach einem sehr schönen aber unspektakulären Auf und Ab, erblicken meine inzwischen geschulten Augen folgendes Bild (siehe unten) Na? Macht es klick? Ein eerhöhter Damm, darauf eine bikende Familie. Ein Bahndamm! vielleicht eine zeitweise Erlösung?
Ja und nein. Ja, eine sehr kurze Erlösung und nein, es ist kein Bahndamm sondern der Schutzdamm des Inn, der sich hier hinter der Isar nicht zu verstecken braucht, breit, majestätisch und vor allem ohne Hügel. :-)
Wieso die komplett herausgedrehte Schraube nicht einfach heruntergfallen ist wird ein Rätsel bleiben, die Signale aber sind klar. Ich entschließe mich, trotz der wenigen verbliebenen Kilometer noch einmal alles zu checken und gehe auch noch einmal durch alle Speichen...
Solche Namen kann man sich nicht ausdenken und wenn man es tut, denkt jeder: "so ein Blödsinn"
Das erste Schild mit Prien! Das gibt neuen Schwung! (für volle 5 MInuten)
Mich täuscht Du nicht! Du bist ein Pferd.
10 Km vor Prien schon die erste BEgrüßung. Das hätte ich nicht erwartet....
... ich war wohl auch gar nicht gemeint. :-)
Exkurs für Stefan
Nachdem ich durch den Whats App Eintrag gelernt habe wie interessiert und fachkundig Stefan in Sachen alte Landmaschinen ist, folgt eine kleine bayerische Auswahl. Die Adresse des Besitzers des Mähdreschers, kann ich bei Interesse liefern. :-)
Internationaler Verkehrsknotenpunkt Rimsting 4Km vor Prien. Hier kommet alles zusammen: Luft-, Schienen-, Straßen- und Radverkehr. Es ist auch ein Bild des Friedens, denn NCHT fotografiert habe ich auf den kommenden 3 Km, die mit permanentem hoch und runter kurz vor Schluss noch einmal richtig nerven.
Der Chiemsee! Scho schee...gell? Nur noch einmal ausrollen...
Noch 710m - ich ruf an und ag bescheid.
Empfangskomitee
So muss das! Ein Käffchen auf dem Balkon vor der Kampenwand.
Fertig. :-)
Epilog
Oder weniger gestelzt: ein paar zusammengefegte Gedankenreste.
Hilfreiche TEchniken
Natürlich gibt es auf einer längeren Tour auch zähe Momente. in denen sich die Frage nach zusätzlicher Motivation stellt. Zwei Dinge haben mir geholfen:
Method Acting nach Stanislawsky - (manche nennen es Tagträume)
Schauspieler üben oft sich an Momente nicht nur zu erinnern, sondern auch das mit der Erinnerung verbundene Gefühl wiederzubeleben. Das funktioniert ganz gut. Für mich hieß die Frage: in welchen Momenten konnte ich positiv Energiereserven aktivieren, obwohl ich schon komplett platt war. Mir fielen die Auftritte meiner Band ein, an denen wir nach Anfahrt, dem Aufrödeln zentnerschwerer PA eigentlich schon ausgepowert waren und dennoch auf der Bühne Gas gegeben haben. Ich habe also alte Titel in Playlist gelegt und mich an diese Zeiten und das in die Saiten hauen erinnert und huch... 5 Km weiter... :-)
Reframing
Absteigen ist die ultimative Demütigung, die es als Radler zu vermeiden gilt. Als ich kurz vor Prien mein Bike schob riefen mir vorberadelnde Rennrad-Fahrer zu: " na... kannst nimmer, höhö"
Aber eigentlich ist das Unsinn, denn ab einer gewissen Steigung ist man im Berggang nicht wesentlich schneller als Schritttempo, es braucht Konzentration nicht seitlich wegzueiern und es kostet unfassbar viel Kraft. Schieben hat dagegen den Vorteil leichter zu sein, kontrollierter und vor allem: es werden andere Muskelgruppen beansprucht - z.T. sogar exakt die Opponenten. Ein Stück schieben ist also Pause, Entspannung, Abwechslung und Stretching. Nachdem ich mir das klar gemacht hatte, habe ich öfter geschoben und es genossen. Das war eine große Hilfe.
Naturbeobachtung 1 Energiewunder Mensch
Wer je in versehentlich an eine Stromleitung gefasst hat, weiß wie viel Energie dort fließt. Diese enorme Energie muss viele Stunden in einen Akku abgegeben werden, nur damit er bei einem e-Bike etwas Unterstützung leistet. Und der Mensch? Oben ein Hirschgulasch mit einem Bier eingeworfen und es trägt die ganze Konstruktion, Rad, Fahrer und Gepäch 80Km weit. Ich komme nicht umhin, mich jeden Tag zu wundern.
NAturbeobachtung 2 Das Rätsel der Greifvögel.
Ein weiteres Mysterium wird sich mir wahrscheinlich nie erschließen. Das Verhalten der von mir so geliebten und bewunderten Greifvögel. Was veranlasst diese Tiere jedweder Gattungen die verrücktesten Flüge direkt über meinen Kopf oder an spekatulären Orten zu veranstalten, nur um meine Aufmerksamkeit zu erlangen? Warum halten sie inne oder gleiten langsam, sobald ich ihnen nachschaue? Woran erkennen Sie eine Sony alpha 6300 Kamera? Und warum verschwinden sie sturzflugartig, sobald ich eben diese Kamera hervorhole? Es wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.
Nützliche Utensilien
Als Biker habe ich natürlich coole Tools, wie z.B. die Trinkflaschen mit "Nuckel". Super praktisch, lässt sich doch während der Fahrt einhändig trinken. Einfach die Flasche nehmen, mit den Lippen den Nuckel fest umschließen und mit den Zähnen herausziehen und schon geht es los. Wurde vor 20Km Apfelschorle mit Kohlensäure eingefüllt, gibt es als Zusatzerfrischung einen kräftigen Druckstoß, der auch gleich die Nase spült. Große klasse.
Einiges um die Ohren
Als Biker in der Coronazeit hat man einiges um die Ohren. Zunächst klammert sich der Helm um die Läppchen, dann kommt eine Brille oben drüber, nun wird das Ganze mit dem Coronamasken-Band umwickelt und auf autofreiem Radweg erhält die Mitte noch ein paar Kopfhörer. Jetzt einkaufen gehen und erst einmal den Helm abnehmen... oder erst das Maskenband? Merke: Reihenfolge beachten, sonst liegt am Ende immer die Brille auf dem Boden.
Zitat der Woche
Eine Zeit lang versuche ich via SIRI Notizen zu machen, wenn mir auf der Fahr etwas einfällt. Da Siri bekanntermaßen Humor hat und das Headset bei Fahrtwind Geräusche macht stammt das beste Zitat von Ihr.
Ich: Siri, neue Notiz
Siri: Wie soll sie lauten?
Ich: Schieben reframen
Siri: Neue Notiz erstellt; Schieben rief Raymon
Looser der Woche
Ich mag es kaum sagen, aber es ist meine Lieblings App Komoot. Das Rad-Navi. Der Himmel weiß wer diesem Ding so viel Bösartigkeit einprogrammmiert hat, um immer die fiesesten Steigungen als besten Weg anzuzeigen, um einem nach wenigen Kilometern schweißnass zurück auf die alte Route zu bringen, die in der Zwischenzeit vollkommen gerade lief. Außerdem stürzt die App 4-5 mal am Tag ab und braucht ewig, sich danach zu berappeln. Die App für 29,90 ist eine zeitlich unlimitierte Lizenz. Seit neuestem gibt es eine neue Version für 5,49 MONATLICH. Ein Schelm, wer böses denkt...
Abschließend
Dank an mein liebes Bike, vor allem aber Dank an Euch für die Unterstützung und das Mitfiebern. Die Texte habe ich zum Teil sehr schnell und sehr müde geschrieben, bitte seht mir die vielen Tipper und manch schrilles Satzgerinsel nach.
Thomas